Sie ist jung, voller Ideen und Tatendrang, vermisst in der politischen Debatte aber die echten Streitgespräche. Seit vielen Jahren ist die gebürtige Französin, die seit 2013 den Doppelpass besitzt, in ihrer Wahlheimat Schwerin politisch aktiv. Kurz vor der Landtagswahl hat der „Frankreich Fan“ ein Interview mit der Spitzenkandidatin der FDP Mecklenburg-Vorpommern für die Landtagswahl 2016, Cécile Bonnet-Weidhofer, geführt.
FRANKREICH FAN: Frau Bonnet-Weidhofer: Wenn es Sie vor sechs Jahren nicht in Ihre Wahlheimat Schwerin gezogen hätte, würden Sie dann heute in Frankreich auch Politik machen?
BONNET-WEIDHOFER: Das weiß ich nicht. Ich habe nie eine politische Karriere geplant. Der Wille, mich politisch bei den Freien Demokraten zu engagieren ist von der Situation in MV geprägt. Ich habe in den letzten Jahren privat und beruflich erlebt, welches Potential verloren geht und wie die Zukunftschancen junger Menschen Tag für Tag verbaut wurden. Die FDP allein hat Antworten auf die Fragen der Menschen.
Um aber nochmal auf Frankreich zurückzukommen: Ich pflege den Kontakt zu Freunden aus der UDI [Anm. d. Red.: Die UDI ist ein liberales Parteienbündnis in Frankreich] und werde die Präsidentschaftswahl in Frankreich sehr genau verfolgen.
FRANKREICH FAN: Wann wurde Ihr Interesse für politische Themen geweckt? Gab es da einen konkreten Auslöser?
BONNET-WEIDHOFER: Mein Interesse für die Politik wurde 2002 geweckt. Der Ausgang der ersten Runde für die Präsidentschaftswahl wirkte bei mir wie sicherlich bei vielen anderen wie ein Elektroschock: Len Pen vs. Chirac. Gruselig! Damals war ich im Erasmusjahr in Göttingen und habe mich geschämt. Mir wurde bewusster denn je, dass jeder von uns seine Zukunft, die Zukunft seines Landes in der Hand hat. Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, sich zu engagieren, allerdings habe ich das damals noch nicht aktiv in der Politik, sondern in der Zivilgesellschaft, also in Vereinen und in der Jugendarbeit, gemacht.
FRANKREICH FAN: Sie stammen aus der südfranzösischen Stadt Aix-en-Provence: Welche Charaktereigenschaften der Menschen dort vermissen Sie in Deutschland bzw. Mecklenburg-Vorpommern?
BONNET-WEIDHOFER: Ich habe den Eindruck, dass die Menschen in Südfrankreich spontaner sind. Wenn etwas nicht gleich funktioniert, wie man es geplant hat, dann entwickelt man einfach einen Plan B oder „un système D“ [Anm. d. Red.: „D“ steht für débrouille – Findigkeit, Improvisationskunst]. Die Franzosen nutzen mehr Spielräume aus, improvisieren mehr und haben weniger Scheuklappen – das könnte MV auch gut tun.
FRANKREICH FAN: In Frankreich scheint das liberale Gedankengut mehr und mehr dem Etatismus sowie konservativen Werten Platz zu machen: Wie beurteilen Sie diese Entwicklung in Ihrer Heimat?
BONNET-WEIDHOFER: Ich finde das sehr traurig für die vielen mutigen Franzosen, denen der Staat nichts zutraut. Ich habe zwei jüngere Schwestern und finde es immer wieder erschreckend, wie eingeengt sie sich in Frankreich fühlen.
FRANKREICH FAN: Sie besitzen seit 2013 die deutsche Staatsbürgerschaft: Wie deutsch ist die Französin Cécile Bonnet mittlerweile und in welchen Dingen werden Sie wohl immer Franzose bleiben?
BONNET-WEIDHOFER: Zumindest mal zur Hälfte – das zeigt ja schon mein Nachname Bonnet-Weidhofer. 😉 Ich kann immer noch nicht verstehen, wie man in Deutschland im Winter Eis essen kann. Dafür macht sich meine Familie über mich lustig, wenn ich in Marseille als Fußgängerin auf das grüne Ampelmännchen warte, obwohl die Straße leer ist.
FRANKREICH FAN: Welche Lektionen mussten Sie als Quereinsteigerin (und dazu noch als Französin) seit Beginn Ihres Wirkens für die FDP lernen? Wie hat sich dadurch ihr Politikstil in den Jahren weiterentwickelt/verändert?
BONNET-WEIDHOFER: Meine ersten Lektionen habe ich ja schon auf kommunalpolitischer Ebene gemacht, weil ich seit 2012 politisch aktiv in Schwerin bin. Ich bin seit 2014 Mitglied der Stadtvertretung, vorher war ich aber schon in Ausschüssen tätig. Ich habe immer richtige Streitgespräche vermisst. Es wird kaum argumentiert, kaum debattiert. Und unsere Oberbürgermeisterin (Die Linke) fängt mitten in einer Sitzung an zu weinen, wenn man ihre Politik hinterfragt. Ich war am Anfang geneigt, mich „anzupassen“, habe aber schnell festgestellt, dass mir das nicht liegt. Demokratie lebt vom Dialog. Und ab und zu darf man auch laut sein. 😉
FRANKREICH FAN: Viele verbinden mit der FDP den zentralen Begriff der Freiheit, den aber auch andere Parteien für sich in Anspruch nehmen. Was verstehen Sie als Liberale unter dem Begriff und wie würden Sie diesen einem Jungwähler in maximal 2 bis 3 Sätzen erklären?
BONNET-WEIDHOFER: Wir werben ja mit dem Slogan „MV ist erst 26 Jahre alt. Noch kann es alles werden.“ Der zeigt ganz gut, was wir unter Freiheit verstehen: Wir wollen jedem die Freiheit lassen, selbst zu entscheiden, was er aus seinem Leben macht.
FRANRKEICH FAN: Eine höhere Macht schenkt Ihnen die Möglichkeit, zwei Gesetze zum Wohle der Bürger in Mecklenburg-Vorpommern neu zu schaffen und zwei unsinnige Regelungen abzuschaffen. Welche wären das?
BONNET-WEIDHOFER: Gesetze haben wir genug! Wir fordern sogar ein Verfallsdatum für Vorschriften, damit immer wieder überprüft werden muss, welche nicht mehr zeitgemäß sind.
Wenn ich aber zwei Gesetze ändern dürfte, dann zum einen das Kindertagesförderungsgesetz: Wir Freie Demokraten möchten nämlich, dass jedes Kind Anspruch auf einen kostenfreien Kita-Platz hat. Für uns beginnt die beste Bildung schon bei den Allerkleinsten.
Außerdem würde ich gerne die Beflaggungsverordnung ändern: Ich wünsche mir, dass die Regenbogenflagge während der CSD-Woche auch an den öffentlichen Gebäuden wehen darf.
FRANKREICH FAN: Sie werben im Wahlkampf mit dem Slogan “MV ist erst 26 jahre alt. Noch kann es alles werden.” Sie sind erst 33 Jahre alt. Was kann aus Ihnen noch alles werden? 😉
BONNET-WEIDHOFER: Landtagsabgeordnete, bildungspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Fraktionsvorsitzende, Bildungsministerin. Suchen Sie sich was aus. 😉
FRANKREICH FAN: Vielen Dank für das interessante Interview, Frau Bonnet-Weidhofer und alles Gute für Ihre private und politische Zukunft in Mecklenburg-Vorpommern!
Bild: FDP
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